Dozent: Herr Dr. Merlin Carl
Termin und Raum: Das Seminar wird als einwöchige Blockveranstaltung stattfinden vom 23.02.2015-27.02.2015. Die Details werden rechtzeitig hier bekannt gegeben.
Hier finden Sie den
Eintrag im Vorlesungsverzeichnis mit Anmeldemöglichkeit, falls Sie Mathematik studieren.
Hier finden Sie den
Eintrag im Vorlesungsverzeichnis mit Anmeldemöglichkeit, falls Sie Philosophie studieren.
Bei Interesse schreiben Sie mir bitte eine Mail an MERLIN.CARL@UNI-KONSTANZ.de .
Inhalte
Die verbreitete Art, Mathematik darzustellen, ist deduktiv: Man fixiert einige
Definitionen, und mit den definierten Begriffen formuliert man Sätze, die man
dann beweist. Diese Darstellungsweise stellt Leser, die sich etwa für die Motivation
zur Einführung eines Begriffs interessieren oder dafür, wie ein Beweis
gefunden oder warum die bewiesene Behauptung überhaupt betrachtet wurde,
oft vor ein Rätsel: Die Mathematik scheint "vom Himmel zu fallen".
Tatsächlich gehen viele mathematische Begriffe auf eine Entwicklung zurück, in
der Sätze, Beweise und Definitionen immer wieder umformuliert, ergänzt und
korrigiert wurden. Der Rückgang in ihre Entwicklung und Motivation macht
solche Inhalte oft sowohl zugänglicher als auch interessanter; zugleich eröffnet
sich hierdurch ein Einblick in die Funktions- und Arbeitsweise der Mathematik
und damit auch ein origineller Ansatz zur Behandlung klassischer Fragen der
Philosophie der Mathematik.
Eine Darstellung der Mathematik zu geben, die diese Entwicklung und gegenseitige
Abhängigkeit von Begriffen, Vermutungen und Beweisen ernst nimmt, ist
das Programm von Imre Lakatos, einem bedeutenden Wissenschaftsphilosophen
des 20. Jahrhunderts.
Im Seminar werden wir Lakatos' Text "Beweise und Widerlegungen" behandeln,
der die erstaunliche historische Dynamik der Mathematik am scheinbar einfachen
Beispiel des Begriffs des Polyeders und der Eulerschen Polyederformel
aufzeigt. Schon an diesem elementaren Fall wird deutlich, wie etwa unerwartete
Gegenbeispiele zunächst akzeptierte Beweise falsifizieren und damit zu einer Anpassung
der Definitionen führen. In zwei kürzer gehaltenen Anhängen wird diese
Betrachtungsweise zunächst weiter auf einige Begriffe der klassischen Analysis
angewandt, anschließend werden mögliche Konsequenzen für die mathematische
Lehr- und Darstellungspraxis besprochen.
Literatur zur Vorlesung
I. Lakatos: Beweise und Widerlegungen. Die Logik mathematischer Entdeckungen.
Vieweg 1979
F. Rickey: Cauchy's famous wrong proof, hier
online verfügbar.
Die Liste der Referatsthemen mit Hinweisen zur Vorbereitung und Textarbeit.
Voraussetzungen und Informationen zur Benotung
Das Seminar richtet sich primär an Lehrämtler der Mathematik und kann dort im Bereich "ethisch-philosophische Grundlagen" (EPG2) angerechnet werden.
Zur Teilnahme sollte man Erfahrung im Lesen, Verstehen, Führen und Darstellen mathematischer Beweisen haben. Interessierte Studierende im Bachelor/Master Mathematik und interessierte Studierende
anderer Fachrichtungen,
die über die nötigen Vorkenntnisse verfügen, sind willkommen.
Zur Teilnahme ist die vorherige intensive Lektüre des Textes erforderlich sowie
die Erarbeitung einer Gesamtgliederung und die Bereitschaft, ein Referat zu
übernehmen.
Voraussetzung zum Scheinerwerb sind ein Referat, die aktive Teilnahme an der Seminarbeit sowie eine schriftliche
Ausarbeitung von etwa 5-10 Seiten.