Ausprobieren

Ein Rabe setzt sich auf die Verkehrsampel über einem Fußgängerüberweg, lässt eine Nuss fallen und wartet dass sie von einem Fahrzeug überrollt wird. Bei der nächsten Grünphase der Fußgängerampel hüpft er hin, um den Inhalt aufzupicken.

Die Entwicklung einer solchen Lösungstechnik, ist ohne die Fähigkeit Regelmäßigkeiten zu erkennen, schwer vorstellbar. Wahrscheinlich wurde der Gedanke hierzu durch eine zufällige Beobachtung ausgelöst. Zur Vollendung gelangt die Methode allerdings erst, wenn sie durch wiederholtes Ausprobieren und Beobachten schrittweise verfeinert wird.

Grundsätzlich greifen die selben Mechanismen auch dann, wenn man eine harte Nuss in der Mathematik knacken möchte. Beobachtungen beim Arbeiten mit konkreten Beispielen erlauben das schrittweise Kennenlernen eines Sachverhalts und öffnen möglicherweise die Tür zu einer allgemeinen Aussage, die auch für wesentlich mehr Beispiele gilt.

Der große Vorteil des entdeckungsfreudigen Raben besteht aber darin, dass die für das Knacken und Aufsammeln benötigten physikalischen Gesetze und gesellschaftlichen Regeln (Straßenverkehrsordnung) ohne sein Zutun zur Anwendung kommen. Der Rabe kann also bei jedem neuen Lösungsversuch entspannt beobachten, was passiert. Im mathematischen Universum ist das anders! Hier beantwortet sich die Frage, ob eine Lösungsidee funktioniert nur dadurch, dass ein formaler Beweis erfolgreich abläuft, für deren Durchführung man aber selbst verantwortlich ist. Entspannt zurücksetzen und beobachten gibt es also nicht - damit ist die Kenntnis der Beweisregeln eine Grundvoraussetzung für den Erfolg und gutes Training in diesem Bereich kann die Geschwindigkeit des Lösungsprozesses deutlich erhöhen.