Wenn wir über konkrete Dinge sprechen, benutzen wir Wörter wie Apfel, Wolke oder Brille. Das Wort Brille im Satz "Ich trage eine Brille." steht aber nicht nur für das Ding auf meiner Nase, sondern es ist Stellvertreter für viele Dinge mit der Funktion, Sehfehler zu korrigieren. Dabei unterscheiden sich Brillen von anderen Sehhilfen wie Zwickern, Monokeln oder Kontaktlinsen dadurch, dass Brillen zwei Bügel haben, die in Kombination mit den Ohren für Halt auf der Nase sorgen. Schon dieses kleine Beispiel zeigt, wie wir Dinge nach gewissen Ähnlichkeiten zusammenfassen oder bei fehlender Ähnlichkeit unterscheiden.
Für weitere Beispiele brauchen wir uns nur umzuschauen: Eine Buche ist anders als eine Eiche, aber beides sind Laubbäume. Ein Kugelschreiber unterscheidet sich von einem Bleistift, aber beides sind Schreibgeräte usw.
Nennen wir das, was Dinge unterscheidbar bzw. zusammenfassbar macht Eigenschaften, dann sind Namen wie Apfel, Wolke oder Brille Abkürzungen für spezielle Eigenschaftskombinationen. Man sagt dann, ein Ding ist eine Brille, wenn es alle dazugehörigen Eigenschaften aufweist.
Eine Eigenart der natürlichen Sprache ist dabei, dass die Eigenschaftskombinationen zum Teil subjektiv und zeitlich veränderlich sind. So wandelt sich das Konzept Apfel unbewusst in unserem Kopf mit jedem neuen Beispiel, das uns vorgestellt wird. Außerdem kann es durch rationale Kriterien angereichert werden, wenn wir uns etwa mit Botanik oder Genetik beschäftigen. Da die subjektiven Eigenschaftskombinationen einen Überlapp haben, ist Kommunikation möglich, aber es ist auch klar, dass identische Namen bei verschiedenen Personen sehr unterschiedliche Assoziationen hervorrufen können, was dann zu Missverständnissen führen kann.
Um solche Missverständnisse auszuschließen, beruhen mathematische Begriffe auf verbindlich festgelegten Eigenschaftskombinationen, die in Form von mathematischen Aussagen über ein Stellverteterobjekt angegeben werden. Zur Spezifikation einer Bedingung gehört daher die Bekanntgabe des Platzhalternamens und eine Liste von Aussagen, die von diesem Namen abhängen können. Als Beispiel betrachten wir den Begriff der geraden Zahl, zu dem im $\mmath$-Syntax folgende Bedingung gehört
$g$ mit $g\in\mathbb N;\, 2|g$
Will man für das konkrete Objekt $5$ herausfinden, ob es die Eigenschaftskombination zu einer geraden Zahl erfüllt, so muss man in allen Aussagen der Liste den Platzhalternamen $g$ durch $5$ ersetzen, was hier auf $5\in\mathbb N$ und $2|5$ führt. Da $5$ zu den natürlichen Zahlen gehört, ist die erste Aussage wahr. Allerdings wird $5$ von $2$ nicht ohne Rest geteilt, so dass die Aussage $2|5$ falsch ist. Da nicht alle geforderten Eigenschaften vorliegen, ist $5$ somit keine gerade Zahl. Eine Überprüfung mit dem Objekt $8$ führt dagegen zum Erfolg, d.h. $8$ ist eine gerade Zahl. Geben wir der Bedingung in einer Definition den Namen geradeZahl, wobei wir das Symbol $\require{AMSsymbols}\square$ als Endemarke für die Bedingung verwenden
geradeZahl $:= g$ mit $g\in\mathbb N;\, 2|g\,\,\square$
so können wir im $\mmath$-Syntax die Aussage
$8 :$ geradeZahl
benutzen, die als 8 ist eine geradeZahl gelesen wird. Da mit dem Objekt $8$ ein Beispiel des Begriffs geradeZahl vorliegt, ist insbesondere die Existenz mindestens einer geraden Zahl gesichert. Die entsprechende mathematische Aussage schreiben wir in der Form $\exists$geradeZahl (lies: es existiert eine geradeZahl).