Mama, Mama, Mathe

Wenn Kinder ihre Muttersprache lernen, dann geschieht das ohne explizite Kenntnis der Sprachregeln. Durch Zuhören, Ausprobieren und Feedback in Form von Korrekturvorschlägen wird die Sprachnutzung vom Gehirn immer besser erlernt. Perfektioniert wird sie dann in der Schule, wo die Sprachregeln im Unterricht erarbeitet und rational durchdrungen werden. Hier dient die Sprache nicht nur zum Übermitteln von Inhalten, sondern sie wird selbst zum Studienobjekt, wobei besseres Verständnis mit besserer Nutzung einhergeht.

Im Unterschied zum Erstspracherwerb wird der Vorteil des rationalen Sprachverständnisses beim Erlernen von Fremdsprachen von Anfang an ausgenutzt, um den Lernprozess zu beschleunigen.

Wie aber funktioniert das Erlernen der mathematischen Sprache - eine Sprache mit präzise formulierten Begriffen und streng geregelten Argumentationsweisen?

Der Ansatz zur Vermittlung von Sprachaspekten an den Universitäten ist eher indirekt: Durch reichliches Vor- und Nachmachen mit einigen unterstützenden Hinweisen gewöhnen sich die Studierenden mathematische Sprech- und Denkweisen mit der Zeit an,
ähnlich dem Erlernen der Muttersprache. Allerdings ist mit dieser Methode die Zahl der Studienabbrüche in ganz Deutschland schon seit vielen Jahren sehr hoch und dieses immer wiederkehrende Drama mit viel Frustration auf allen Seiten ist schwer zu akzeptieren!

Meine Überlegung zur Verbesserung des Status quo: Punkte die Anfängern erfahrungsgemäß Schwierigkeiten bereiten, müssen offengelegt werden. Erst wenn man sie benennt, kann man gezielt darüber sprechen und nachdenken (und auch abschätzen, wieviel und was man von den Lernenden eigentlich verlangt)! Deshalb werden im Projekt $\mmath$ die Grundprinzipien des formalen mathematischen Arbeitens und die damit verknüpfte rationale Denkweise in den Fokus gerückt. Das Ziel ist, eine bessere Balance zu schaffen zwischen der Sprache an sich und den Inhalten, die mit der Sprache transportiert werden. Wie jede Sprache kann man auch die Mathematiksprache nur durch aktive Benutzung an konkreten Inhalten lernen - die Inhalte sollten aber den bewussten Blick auf die Sprache selbst nicht versperren, denn es ist ja die Sprache, die das Erschließen neuer Inhalte ermöglicht (übertragen auf die Schule bedeutet das: Rechnen ist wichtig, aber die Denkweise die Rechnen erschafft ist wichtiger, weil sie noch ganz andere Problemlösungen eröffnet).

Wenn der präzise geregelte Umgang mit Begriffen und Argumentationsweisen und die daraus resultierende Denkweise so zentral für die Mathematik und an vielen Stellen so nutzbringend ist, wieso werden Studienanfänger davon eigentlich regelmäßig überrascht? Wieso ist ihnen die Denkweise nicht schon durch die Schulzeit viel vertrauter? Wird dort nicht so genau auf die Sprache und die Präzision im Argumentieren geachtet? Werden Schüler überhaupt auf die mathematische Sprachnutzung explizit aufmerksam gemacht? Oder steht der vordergründige "Lernstoff" im Mittelpunkt? Auch die Lehrer haben Mathematik studiert - lag der Fokus in deren Ausbildung mehr auf dem "Worüber" man mathematisch spricht und weniger auf dem "Wie" gesprochen wird? Wieso führt eigentlich die Mathelehrerausbildung dazu, dass der Übergang von der Schul- zur Hochschulmathematik holprig ist? Ist das ganze System verbesserungsfähig? Was sind die Ziele an denen man sich dabei orientieren sollte?