Blog: Ausbildung

Lernziele Mathematik

Mit Erstaunen stellen viele Mathematikstudierende in ihren ersten Semesterwochen fest, dass Mathematik an Schule und Uni neben der Fachbezeichnung nicht viel gemeinsam haben. Insbesondere helfen die erlernten Techniken aus der Schule so wenig, dass selbst sehr gute schulische Leistungen an der Uni kein Erfolgsgarant sind.

Während sich Studierende im Bachelor-Programm mit den geänderten Rahmenbedingungen abfinden können (getreu dem Motto dann ist das halt jetzt Mathe), haben Studierende mit dem Abschlussziel Lehramt ein echtes Problem: Für sie wird das nur ein paar Jahre lang Mathe sein - was danach kommt, kennen sie ja schon aus ihrer eigenen Schulzeit. Aber was bringt es dann, sich einem Thema voll und ganz zu widmen und alle Details zu verfolgen, wenn dieses Thema später keine Rolle mehr spielen wird? Klar, dass sich hier die Sinnfrage stellt! (Eine ähnliche Sinnfrage stellt sich übrigens auch für SchülerInnen, die nach dem Abitur keine mathematiknahe Ausbildung anstreben.)

Dieser scheinbare Widerspruch klärt sich erst dann, Read more…

Elektrische SchülerInnen

In der Grundschule gehört Mathematik von Anfang an zu den Hauptfächern. Implizit wird also von allen Schülern und Schülerinnen erwartet, dass sie in einem gewissen Umfang mathematisches Arbeiten erlernen können, wobei solch ein vielschichtiger Prozess natürlich unterschiedlichste Fähigkeiten umfasst. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage: Welche Lernziele sind Voraussetzung für erfolgreiches Mathematikmachen?

Betrachten wir den Computer als ein Wesen mit sehr gutem Gedächtnis, absolutem Regelgehorsam aber ohne Weltwissen und Kreativität, so kann man ihn als ein sehr grobes Mensch-Modell durchgehen lassen, zumindest in dem Sinne, dass sich Menschen annähernd wie Computer verhalten können: Indem wir uns Notizen machen, lässt sich ein sehr gutes Gedächtnis simulieren. Das strenge Regeleinhalten ist zwar nicht leicht, aber die Vielzahl an (geregelten) Spielen zeigt, dass es prinzipiell möglich ist. Schließlich können wir uns auch dumm und stur stellen und unser Weltwissen gezielt unterdrücken.

Wenn wir also schaffen, einem Computer gewisse Aspekte des mathematischen Arbeitens beizubringen, so können die Komponenten des resultierenden Programms auch als Quelle von prinzipiell erreichbaren Lernzielen für Menschen genutzt werden.

Mit dieser Idee im Hinterkopf haben wir begonnen, die Ergebnisse des $\mmath$ Projekts auch im Schulumfeld zu nutzen. Der Fokus liegt dabei auf der Überprüfung und (wenn nötig) Modifikation von Arbeitsweisen unabhängig von den Inhalten. Read more…

Verstehst Du?

Beim Thema Verstehen erinnere ich mich gerne an eine Physikvorlesung in Kaiserslautern, wo Professor Wolfgang Demtröder nebenbei Folgendes erklärte: Verstehen heißt neues Unverstandenes auf altes Unverstandenes zurückzuführen.

Das klingt im ersten Moment lustig, weil es nicht zu dem Gefühl von Sicherheit und Kontrolle passt, das mit dem Gefühl des Verstehens einhergeht: Wenn man einen Sachverhalt versteht, kann man mit ihm kontrolliert umgehen, man kennt die zugehörigen Ursache-Wirkung-Beziehungen, kann sie zielgerichtet einsetzen und erklären.

Schaut man aber etwas genauer hin und hinterfragt die Gefühle, so stellt sich die Situation ganz anders dar: Die empfundene Sicherheit beim Verstehen ist nur relativ zu einem Rahmen an Vorwissen, das bei kritischem Hinterfragen schnell löchrig werden kann, wobei dann auch die gefühlte Sicherheit rasch abnimmt.

Etwas günstiger sieht es beim mathematischen Verstehen aus, Read more…

Wo lernt man definieren?

Die Entwicklung des Projekts $\mmath$ lief auf verschlungenen Pfaden. So war die erste Version des zugehörigen Programms nur in der Lage, Beweise im Bereich der Aussagenlogik und Mengenlehre zu überprüfen. Die Erschließung weiterer mathematischer Theorien war im Programmkonzept sehr mühsam, da jeweils eine Programmerweiterung für die neuen Objekte der Theorie benötigt wurde, bevor man damit argumentieren konnte. In der Praxis ist aber das Schaffen neuer Objekte durch Definitionen ein Prozess, der mit dem Beweisen von Eigenschaften zwischen diesen Objekten in einem engen und dynamischen Wechselverhältnis steht.

Verkürzt gesagt steckte hinter dem ersten Zugang die Sichtweise, dass Mathematik hauptsächlich Beweisen bedeutet, was sicherlich auch dem vorherrschenden Eindruck der Mathematikstudierenden entspricht. In der Praxis stellt sich die Situation aber eigentlich ganz anders dar: Bevor irgend etwas bewiesen werden kann, muss erst ein mathematischer Kontext vorhanden sein, in dem sich eine sinnvolle mathematische Frage formulieren lässt.

Historisch gesehen waren diese Kontexte sehr häufig Abstraktionen von Zusammenhängen, die in der Welt beobachtet wurden und das präzise Beschreiben dieser Zusammenhänge würde man heute als mathematische Modellierung bezeichnen. Innermathematisch entspricht das Herauspräparieren von Ausgangsobjekten und -situationen gerade dem Definieren.

Damit steht Modellieren bzw. Definieren am Anfang der Geschichte und erst wenn sinnvolle Objekte erkärt sind, kommt die mathematische Argumentationssprache hinzu, um in den Modellsituationen Antworten auf Fragen oder neue Zusammenhänge zu entdecken.

Wenn man sich die Bedeutung des Definierens klar gemacht hat, ist es eigentlich erstaunlich, dass diesem Aspekt an der Universität in der Regel keine eigene Lehrveranstaltung gewidmet ist. Dem selbständigen Definieren wird auch auf den wöchentlichen Übungsblättern kaum Beachtung geschenkt. Definieren ist etwas, das scheinbar immer nebenher abläuft. Read more…

Mathematik lesen lernen

Was ist der Grund dafür, dass Jahr für Jahr überdurchschnittlich viele Studierende das Mathematikstudium bereits nach kurzer Zeit frustriert wieder aufgeben? Was genau macht den Übergang von der Schul- zur Hochschulmathematik so schwierig? Liegt es an den komplizierten Inhalten, oder doch eher an der Form der Vermittlung?

Die Erfahrung nach vielen Gesprächen mit Schülern und Studierenden, der Begleitung mehrerer Anfängerjahrgänge, der Durchführung spezieller Lehrveranstaltungen zu den Anfangsschwierigkeiten und der routinemäßigen Durchsicht von vielen Übungsblättern, Klausuren und Hausarbeiten führt zu folgender Einschätzung: Der größte Stolperstein ist nicht das inhaltliche Verständnis der mathematischen Konzepte und Zusammenhänge sondern das formale Vorgehen in der Mathematik. Es fehlt nicht das intuitive Verständnis dafür, dass zum Beispiel konvergente Folgen beschränkt sind, sondern die Fähigkeit, die Begründung mathematisch korrekt aufzuschreiben.

Sehr eng verknüpft und vielleicht sogar ursächlich dafür ist die Schwierigkeit, mathematische Begründungen korrekt zu lesen und zu interpretieren, was an der oft gestellten Anfängerfrage Ist mein Beweis so richtig? und an den vielen falschen Antworten zu Übungsaufgaben besonders deutlich wird. Dass die Studierenden die Fehler in ihren Lösungen nicht bereits selbst anstreichen, ist tatsächlich der offensichtlichste Indikator dafür, dass das Überprüfen der Korrektheit von Argumentationen nicht beherrscht wird.

Diese Feststellung ist deshalb dramatisch, weil die Überprüfung der Korrektheit so präzise reglementiert ist, dass sie sogar von Maschinen automatisch durchgeführt werden kann! Es handelt sich hier wahrscheinlich um den einzigen Aspekt des Mathematikmachens, der stur erlernbar ist. Read more…