Blog: Regel

Muster

Wenn man das Wort Muster hört, denkt man vielleicht zuerst an regelmäßige Anordnungen von geometrisch ähnlichen Figuren. Als allgemeine Definition findet man im Wiktionary: Ein Muster ist eine gleichbleibende Struktur, die einer sich wiederholenden Sache zu Grunde liegt, oder im übertragenen Sinn ein Handlungsablauf oder eine Denk-, Gestaltungs- oder Verhaltensweise, die zur gleichförmigen Wiederholung (Reproduktion) bestimmt ist.

Die zunächst erwähnte regelmäßige Anordnung von geometrisch ähnlichen Figuren passt insofern auf diese Definition, als sich hier Ausschnitte der Gesamtfigur räumlich an anderen Stellen wiederholen, wobei diese Wiederholung gewissen Regeln folgt. Es passen aber auch ganz andere Beispiele. Betrachten wir etwa das Zeichenmuster 4, 36, 16, 64, 144, 100, Read more…

Über's Schreiben schreiben

Beim Schreiben bringe ich Buchstaben in eine bestimmte Reihenfolge, die Sie beim Lesen in eine Sequenz von Lauten und somit in Sprache verwandeln (schauen Sie doch mal zurück, wie viele ei und en Gruppen Sie bereits als Zeichen für bestimmte Laute gedeutet haben).

Genauso sind bestimmte Lautkombinationen (Wörter) wieder Zeichen, die wir als Gegenstände in der Welt deuten. Im einfachsten Fall sind die Gegenstände dabei greifbar oder mit anderen Sinnen unmittelbar zu erfassen. Sie können aber auch abstrakter sein, wie zum Beispiel das oben benutzte Wort Reihenfolge.

Nun besteht der Sinn eines Textes normalerweise nicht darin, Gegenstände nur aufzulisten. Statt dessen will der Autor von ihm wahrgenommene Zusammenhänge zwischen Gegenständen mitteilen, d.h. er möchte Aussagen über Gegenstände machen. Dazu werden wieder Zeichen eingesetzt (in diesem Fall Sätze), die von den Lesern gedeutet werden können, weil es vereinbarte Deutungsregeln gibt (in diesem Fall grammatikalische Regeln).

Genau die gleichen Mechanismen treten auch in formalen mathematischen Sprachen auf, wobei die Sprachregeln viel überschaubarer und gleichzeitig deutlich präziser sind als in der Umgangssprache. Die Gegenstände, deren Eigenschaften und Zusammenhänge beschrieben werden sollen, nennt man hier mathematische Objekte. Sie werden oft mit einzelnen Symbolen bezeichnet wie $0,\pi$ oder $x$, aber auch mit Symbolketten wie $42,\sin$ oder $\text{Menge}$. Eine mathematische Aussage über Objekte hat dann zum Beispiel die Form $\sin(\pi)=0$, wobei der Bildungsprozess von Aussagen allgemein in Form von Kochrezepten angegeben wird. Read more…

Werkzeug Mathematik

Was unterscheidet den Mensch von anderen Tieren auf unserem Planeten? Der Mensch umgibt sich mit Baumärkten, Drogerien, Möbelhäusern und Kurzwarenabteilungen! Etwas abstrakter formuliert: Menschen erfinden und benutzen Werkzeuge und die Warenhäuser sind voll davon, angefangen bei Nähnadeln über Schränke und Zahnpasta bis hin zum Rasenmäher. Werkzeuge erlauben uns im Kleinen einzelne Zellen zu manipulieren oder im Großen das Sonnensystems zu erforschen.

Dabei kann man Werkzeuge als Materialisierung von Regeln verstehen. So setzen Stemmeisen oder Türgriffe zum Beispiel die Regeln der Hebelwirkung um und zeigen indirekt, wie wir Menschen ticken: Durch Beobachtung stellen wir Regelmäßigkeiten zunächst in Form von wenn-dann-Beziehungen fest, wir isolieren und reproduzieren die Effekte durch Experimente und konservieren sie schließlich als Geräte oder Werkzeuge, die in speziellen Situationen die gefundenen Regelmäßigkeiten zur Wirkung kommen lassen.

Die Grundlage all diesen Handelns ist die Fähigkeit, mit Regeln umgehen zu können, d.h. sie zu erkennen, anzuwenden und zielgerichtet zu kombinieren, also das, was man mit den Begriffen Rationalität oder Verstand zusammenfasst.

In diesem Zusammenhang kann man die Mathematik als eine besonders herausdestillierte Form der menschlichen Rationalität betrachten, weil sich mit ihr Regelmäßigkeiten präzise formulieren und zu neuen Regeln kombinieren lassen. Mathematik als Wissenschaft des Geregelten ist somit eine abstrakte Variante des Werkzeugbaus und der Werkzeugnutzung und wird damit selbst zu einem wichtigen und machtvollen Werkzeug des Menschen.

Wenn es das Ziel von Bildung ist, die im Menschen angelegten Fähigkeiten zur Bewegung, Kommunikation, Empathie, Emotion und Rationalität herauszuarbeiten und zu trainieren, dann stellt sich nicht die Frage, ob Mathematik hier eine wichtige Rolle spielt. Ob aber unsere aktuelle Ausgestaltung der Mathematikausbildung tatsächlich darauf ausgerichtet ist, den Umgang mit Rationalität an sich zu trainieren, sollte immer neu hinterfragt werden.

Klar ist, dass Mathematik nicht ohne mathematische Inhalte vermittelt werden kann. Die Inhalte sollen andererseits nicht so stark in den Vordergrund treten, dass sie zum primären Ausbildungs- und Prüfungsgegenstand werden. Es sollte um das Beherrschen der Rationalität und nicht um die Beherrschung der Bruchrechnung gehen: Wer rational vorgehen kann, findet die Bruchrechenregeln alleine und immer wieder neu, falls er sie vergisst. Wer rationales systematisches Vorgehen weniger trainiert hat, tut sich schwerer und klammert sich an fertige Formeln und Rezepte, die im Kopf schnell man durcheinandergeraten. Wenn dann am Ende aus Differenzen und Summen gekürzt wird, ist also nicht so klar, ob der Schüler oder das Ausbildungssystem der Dumme ist.

Mathematik lesen lernen

Was ist der Grund dafür, dass Jahr für Jahr überdurchschnittlich viele Studierende das Mathematikstudium bereits nach kurzer Zeit frustriert wieder aufgeben? Was genau macht den Übergang von der Schul- zur Hochschulmathematik so schwierig? Liegt es an den komplizierten Inhalten, oder doch eher an der Form der Vermittlung?

Die Erfahrung nach vielen Gesprächen mit Schülern und Studierenden, der Begleitung mehrerer Anfängerjahrgänge, der Durchführung spezieller Lehrveranstaltungen zu den Anfangsschwierigkeiten und der routinemäßigen Durchsicht von vielen Übungsblättern, Klausuren und Hausarbeiten führt zu folgender Einschätzung: Der größte Stolperstein ist nicht das inhaltliche Verständnis der mathematischen Konzepte und Zusammenhänge sondern das formale Vorgehen in der Mathematik. Es fehlt nicht das intuitive Verständnis dafür, dass zum Beispiel konvergente Folgen beschränkt sind, sondern die Fähigkeit, die Begründung mathematisch korrekt aufzuschreiben.

Sehr eng verknüpft und vielleicht sogar ursächlich dafür ist die Schwierigkeit, mathematische Begründungen korrekt zu lesen und zu interpretieren, was an der oft gestellten Anfängerfrage Ist mein Beweis so richtig? und an den vielen falschen Antworten zu Übungsaufgaben besonders deutlich wird. Dass die Studierenden die Fehler in ihren Lösungen nicht bereits selbst anstreichen, ist tatsächlich der offensichtlichste Indikator dafür, dass das Überprüfen der Korrektheit von Argumentationen nicht beherrscht wird.

Diese Feststellung ist deshalb dramatisch, weil die Überprüfung der Korrektheit so präzise reglementiert ist, dass sie sogar von Maschinen automatisch durchgeführt werden kann! Es handelt sich hier wahrscheinlich um den einzigen Aspekt des Mathematikmachens, der stur erlernbar ist. Read more…

Regel-Regeln

In der Mathematik arbeitet man mit zwei Sorten von Regeln: Solche über die Mathematik (Metaregeln) und solche über die mathematischen Objekte (Sätze). Im Projekt $\mmath$ werden Metaregeln programmiert, um den Rahmen für kontrolliertes mathematisches Arbeiten am Rechner zu schaffen. Der Nutzer kann dann Sätze über mathematische Objekte mit dem Programm formulieren und beweisen. Dabei ist er den Metaregeln unterworfen, während die mathematischen Objekte seinen Sätzen unterworfen sind.

Betreibt man Mathematik mit Papier und Bleistift, so muss man selbst für die Einhaltung der Metaregeln sorgen, was ein ständiges Kontrollieren der eigenen Argumentationsschritte verlangt. Eine zentrale Aufgabe für Mathematiknovizen ist daher das Kennen- und Befolgenlernen der mathematischen Metaregeln, um dann in diesem Rahmen wiederum viele Regeln in Form von Sätzen kennenzulernen und neu zu entdecken.

Regeln spielen also eine sehr wichtige Rolle in der Mathematik, aber wie sind eigentlich Regeln geregelt? Read more…