Ein Modellierungsbeispiel

In einem über 2500 Jahre alten ägyptischen Mathematikbuch, dem Papyrus Rhind, ist ein Mathematikrätsel aufgeführt, das übersetzt ungefähr so lautet:

Es gibt sieben Häuser, in jedem Haus wohnen sieben Katzen. Jede Katze fängt sieben Mäuse, von denen jede sieben Kornähren gefressen hat. In jeder Ähre sind sieben Samen.

Da die eigentliche Frage fehlt, ergänzen wir

Wieviele Dinge kommen insgesamt in dieser Geschichte vor?

und betrachten dieses zugegebenermaßen künstliche Szenario als eine mathematische Modellierungsaufgabe. Unsere Vorgehensweise gliedert sich dabei nach folgendem Schema: Read more…

Wo lernt man definieren?

Die Entwicklung des Projekts $\mmath$ lief auf verschlungenen Pfaden. So war die erste Version des zugehörigen Programms nur in der Lage, Beweise im Bereich der Aussagenlogik und Mengenlehre zu überprüfen. Die Erschließung weiterer mathematischer Theorien war im Programmkonzept sehr mühsam, da jeweils eine Programmerweiterung für die neuen Objekte der Theorie benötigt wurde, bevor man damit argumentieren konnte. In der Praxis ist aber das Schaffen neuer Objekte durch Definitionen ein Prozess, der mit dem Beweisen von Eigenschaften zwischen diesen Objekten in einem engen und dynamischen Wechselverhältnis steht.

Verkürzt gesagt steckte hinter dem ersten Zugang die Sichtweise, dass Mathematik hauptsächlich Beweisen bedeutet, was sicherlich auch dem vorherrschenden Eindruck der Mathematikstudierenden entspricht. In der Praxis stellt sich die Situation aber eigentlich ganz anders dar: Bevor irgend etwas bewiesen werden kann, muss erst ein mathematischer Kontext vorhanden sein, in dem sich eine sinnvolle mathematische Frage formulieren lässt.

Historisch gesehen waren diese Kontexte sehr häufig Abstraktionen von Zusammenhängen, die in der Welt beobachtet wurden und das präzise Beschreiben dieser Zusammenhänge würde man heute als mathematische Modellierung bezeichnen. Innermathematisch entspricht das Herauspräparieren von Ausgangsobjekten und -situationen gerade dem Definieren.

Damit steht Modellieren bzw. Definieren am Anfang der Geschichte und erst wenn sinnvolle Objekte erkärt sind, kommt die mathematische Argumentationssprache hinzu, um in den Modellsituationen Antworten auf Fragen oder neue Zusammenhänge zu entdecken.

Wenn man sich die Bedeutung des Definierens klar gemacht hat, ist es eigentlich erstaunlich, dass diesem Aspekt an der Universität in der Regel keine eigene Lehrveranstaltung gewidmet ist. Dem selbständigen Definieren wird auch auf den wöchentlichen Übungsblättern kaum Beachtung geschenkt. Definieren ist etwas, das scheinbar immer nebenher abläuft. Read more…

Mathematik lesen lernen

Was ist der Grund dafür, dass Jahr für Jahr überdurchschnittlich viele Studierende das Mathematikstudium bereits nach kurzer Zeit frustriert wieder aufgeben? Was genau macht den Übergang von der Schul- zur Hochschulmathematik so schwierig? Liegt es an den komplizierten Inhalten, oder doch eher an der Form der Vermittlung?

Die Erfahrung nach vielen Gesprächen mit Schülern und Studierenden, der Begleitung mehrerer Anfängerjahrgänge, der Durchführung spezieller Lehrveranstaltungen zu den Anfangsschwierigkeiten und der routinemäßigen Durchsicht von vielen Übungsblättern, Klausuren und Hausarbeiten führt zu folgender Einschätzung: Der größte Stolperstein ist nicht das inhaltliche Verständnis der mathematischen Konzepte und Zusammenhänge sondern das formale Vorgehen in der Mathematik. Es fehlt nicht das intuitive Verständnis dafür, dass zum Beispiel konvergente Folgen beschränkt sind, sondern die Fähigkeit, die Begründung mathematisch korrekt aufzuschreiben.

Sehr eng verknüpft und vielleicht sogar ursächlich dafür ist die Schwierigkeit, mathematische Begründungen korrekt zu lesen und zu interpretieren, was an der oft gestellten Anfängerfrage Ist mein Beweis so richtig? und an den vielen falschen Antworten zu Übungsaufgaben besonders deutlich wird. Dass die Studierenden die Fehler in ihren Lösungen nicht bereits selbst anstreichen, ist tatsächlich der offensichtlichste Indikator dafür, dass das Überprüfen der Korrektheit von Argumentationen nicht beherrscht wird.

Diese Feststellung ist deshalb dramatisch, weil die Überprüfung der Korrektheit so präzise reglementiert ist, dass sie sogar von Maschinen automatisch durchgeführt werden kann! Es handelt sich hier wahrscheinlich um den einzigen Aspekt des Mathematikmachens, der stur erlernbar ist. Read more…

Hokus Pokus Zuordnung ...

... und aus dem Kaninchen wurde ein Huhn. Etwas weniger magische Verwandlungsprozesse kennen wir zuhauf aus unserem Alltag: Eier, Mehl und Milch werden in einen Pfannkuchen verwandelt, Früchte und Zucker in Marmelade, ein Automat wandelt Geldstücke in Getränkedosen und Holz wird in einem Kamin in Wärme und Abgase umgesetzt.

In der Mathematik abstrahiert man solche Prozesse durch Zuordnungen, die Ausgangsobjekten (sog. Argumenten) eindeutig bestimmte Ergebnisobjekte zuweisen. Wie der Prozess genau vonstatten geht, ist in einer Zuordnungsvorschrift festgehalten. Im Unterschied zu realen Prozessen ist die Vorschrift dabei so präzise, dass bei gleichem Argument stets genau das gleiche Ergebnis resultiert.

Genauso wie man aus Birnen aber keinen Apfelkuchen backen kann, sind für eine Zuordnung normalerweise nicht alle denkbaren Argumente zulässig. Zu jeder Zuordnung gibt es deshalb eine Bedingung an die Argumente und nur wenn diese erfüllt ist, kann die Vorschrift ausgeführt werden.

Als Beispiel betrachten wir Read more…

Immer der Reihe nach

Äußerlich betrachtet ist jeder mathematische Text genau wie dieser Text nur eine Aneinanderreihung von Schriftzeichen eines Alphabets. Die Reihenfolge der Zeichen wird dabei nach bestimmten Konventionen räumlich hergestellt (z.B. von links nach rechts und von oben nach unten).

Der große Vorteil der Reihung besteht darin, dass bereits aus einem sehr kleinen Alphabet sehr viele unterschiedliche Zeichenketten erzeugt werden können (man denke an das Morse- Alphabet, das binäre 0/1 Alphabet in der Computertechnik, oder das Alphabet aus Basenpaaren in der Biologie).

Durch Benutzung spezieller Trennzeichen lässt sich eine Zeichenkette hierarchisch in Teilketten untergliedern, die wir in üblichen Texten Kapitel, Abschnitt, Satz oder Wort nennen. Dabei sind Wörter Symbole für sprachliche Laute, die wiederum auf Dinge, Eigenschaften oder Prozesse verweisen. Die räumliche Sequenz der Schriftzeichen symbolisiert dadurch die zeitliche Reihenfolge der Sprachlaute.

Wenn man nun noch bedenkt, dass zur Erzeugung der Sprachlaute bestimmte Bewegungen im Stimmapparat notwendig sind, die auf zeitlichen Sequenzen von Muskelkontraktionen beruhen, die wiederum auf Sequenzen von elektrischen Impulsen im Nervensystem zurückgehen, dann ist die zentrale Bedeutung von Reihenfolge allein für die äußere Form des Mathematikmachens endgültig offensichtlich.

Dazu kommt noch die interne Bedeutung der Reihenfolge: Read more…